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Lohengrin Minden
Lohengrin Minden


Geschichte / Werkgeschichte

1842
Im Winter (1841/42), der letzten Pariser Zeit, will Wagner (laut seiner Autobiographie „Mein Leben“) bereits die „allererste Konzeption“ des Lohengrin gefasst haben; Zeugnisse aus dieser Zeit sind jedoch nicht erhalten. Bekannt ist nur. dass Wagner in Paris die Abhandlung „Über den Krieg von Hurt bürg“ von Christian Theodor Ludwig Lucas (1838) liest, in der er auch „ein kritisches Referat über das Gedicht vom „Lohengrin“. und zwar mit ausführlicher Mitteilung des Hauptinhalts dieses „breitschweifigen Epos“ (Autobiographie) findet. Wagner sieht eine „ganz neue Welt“ für sein Schaffen aufgehen.

1845
Während eines Kuraufenthalts in Marienbad schreibt Wagner im Juli. unmittelbar nach dem Prosa-Entwurf zu „Die Meistersinger von Nürnberg“ einen weiteren zu „Lohengrin*. den er am 3. August beendet. Einen Tag später berichtet er seinem Bruder Albert in einem Brief, er habe „die fast ganz unkenntlich gewordene Sage aus dem Schutt und Moder der schlechten, prosaischen Behandlung des alten Dichters erlöst und durch eigene Erfindung und Nachgestaltung sie wieder zu ihrem reichen, hochpoetischen Werthe gebracht“.
Die erste Fassung des Textbuches entsteht nach der Dresdener Premiere des „Tannhäuser“ (19. Oktober) und wird vollendet am 27. November. Sie weicht in einigen Einzelheiten von der später komponierten Fassung ab. 18. Dezember: Wagner liest seine „Lohengrin“-Dichtung dem „Hillerschen Kränzchen“ vor. einer Dresdener Literaten- und Künstlervereinigung, auch „Engelklub“ genannt, der u.a. die Musiker Ferdinand Hiller und Roben Schumann angehören. Besonders die Musiker sind dem Text gegenüber ratlos und bezweifeln, dass man dazu Musik machen könne. Schumann findet keine Anhaltspunkte für musikalische Nummern, doch Wagner zeigt ihm Stellen, die als „Arien und Kavatinen“ komponierbar sind, „worüber er sich lächelnd befriedigt erklärte“ (Autobiographie).

1846
Nach Vorstudien und Einzelskizzen beginnt Wagner um den 20. Mai mit dem ersten Gesamtentwurf (der sogenannten „Kompositionsskizze“) der Musik zu „Lohengrin“: „Seit einem Jahre - der Beendigung des Tannhäuser -habe ich keine Note wieder geschrieben: ich bin jetzt aufs Land gegangen, um meine etwas angegriffene Gesundheit zu erholen: fände ich dabei einige gute Laune, so drängt es mich nun zunächst sehr die Composition einer neuen Oper, wozu ich die Dichtung fertig habe, zu beginnen“ (Brief vom 20. Mai an Conrad Löffler). In der am 30. Juli fertiggestellten „Kompositionsski/ze“ fehlt noch das Vorspiel.
Die Ausarbeitung des zweiten Gesamtentwurfs. der sogenannten „Orchesterskizze“, beginnt Wagner am 9. September, diesmal- gegen seine Gewohnheit -jedoch mit dem dritten Akt. da er im ersten Gesamtentwurf noch den ursprünglichen Wortlaut des Textes vertont hat und jetzt, nach Debatten mit Hermann Franck über die Notwendigkeit der Bestrafung Elsas „durch
Lohengrins Scheiden“, wegen einiger Textänderungen teilweise zur Neukomposition gezwungen ist. Wagner bezeichnet den dritten Akt als „Kern des Ganzen“.

1847
Am 11. Februar fährt Wagner „nach 2 monatlicher Unterbrechung“ (Manuskripteintragung bei den Worten „Nun muss ich ach! von dir geschieden sein“) mit der „Orchesterskizze“ des dritten Aktes fort, die er am 5. März beendet. Vom 12. Mai bis 8. Juni arbeitet er am ersten Akt und vom 18. Juni bis 2. August am zweiten Akt. Die „Orchesterskizze“ des Vorspiels entsteht bis zum 29. August.
26. September: Wagner trifft Ludwig Tieck in Berlin, wo er sich wegen der bevorstehenden Erstaufführung des „Rienzi“ (24. Oktober) aufhält, und spricht mit ihm über „Lohengrin“: „Dem Gedicht meines „Lohengrin“ erklärte er sich durchaus und vollständig geneigt: nur begriff er nicht, wie dies alles ohne eine gänzliche Umwandelung der bisherigen Basis der Oper in Musik zu setzen sein sollte, und äusserte in diesem Bezuge namentlich seine Bedenken gegen Szenen wie die zwischen Ortrud und Friedrich zu Anfang des zweiten Aktes. Mich dünkte, dass ich ihn zu wirklicher Lebhaftigkeit erregte, als ich über die Losung dieser scheinbaren Schwierigkeilen sowie überhaupt im Betreff meiner Ideen über das Ideal des musikalischen Dramas mich in meiner Weise ihm mitteilte“ (Autobiographie).

1848
1. Januar: Wagner beginnt mit der Anfertigung der Partitur zu „Lohengrin“ und beendet sie am 28, April.
22. September: Wagner dirigiert aus Anlass der Dreihundert-Jahr-Feier der Dresdener Hofkapelle in einer konzertanten Voraufführung den Schluss des ersten Aktes.

1849
Im Januar erscheint in Dresden eine Zeitungsnotiz mit der Meldung: „Nächstens soll hier Kapellmeister Wagner’s Oper „Lohengrin“ mit brillanter Ausstattung in Scene gehen.“ Es gelingt jedoch Wagner nicht, die Uraufführung des „Lohengrin“ in Dresden durch zu setzen. Seine Mitwirkung beim Dresdener Maiaufstand und die darauf folgende Flucht in die Schweiz - Wagner wird steckbrieflich gesucht - machen das Vorhaben gänzlich unmöglich.

1850
21. April: Wagner ersucht seinen Freund Franz Liszt, Hofkapellmeister in Weimar, um die Uraufführung des „Lohengrin“ und schickt am 2. Juli musikalische und szenische Anweisungen zur geplanten Uraufführung. Bei dieser Gelegenheit verfügt er auch den seither sanktionierten Strich des zweiten Teils der sogenannten „Gralserzählung“ im dritten Akt. 28. August: Anlässlich der Weimarer Goethe-Feier (Geburtstag des Dichters) wird im Hoftheater die Uraufführung des „Lohengrin“ gegeben. Am 2. September schreibt Liszt an den in Zürich weilenden Wagner: „Unsere erste Aufführung war verhältnismässig befriedigend. [...] Der Hof. sowie einige geistvolle Personen von Weimar sind von Sympathie und Bewunderung für Dein Werk erfüllt. Und was die Masse des Publikums betrifft, so wird sie es sich gewiss zur Ehre rechnen das schön zu finden und zu applaudieren, was sie nicht verstellen kann.“ In der Hamburger Kleinen Musikzeitung erscheint eine vernichtende Kritik.

1851
12. April: Einen lag nach der vierten Weimarer Aufführung des „Lohengrin“ erscheint in der Leipziger Illustrierten Zeitung der von Wagner redigierte, von Karl Ritter und Hans von Bülow übersetzte „Lohengrin“-Aufsatz von Franz Liszt (ursprünglich französisch}. Als Reaktion darauf pilgert man nach Weimar, um das so enthusiastisch gerühmte Werk an Ort und Stelle auf der Bühne erleben zu können. Wagner ist jedoch mit der Lösung der szenischen Schwierigkeiten, wie sie ihm berichtet wird, nicht zufrieden und plant, ähnlich wie im Fall des „Tannhäuser“. eine Schrift zur Anleitung einer adäquaten Aufführung, die allerdings nicht zustande kommt: „Zwischen meinem „Lohengrin“ und meinem jetzigen Vorhaben“ - dem „Kunstwerk der Zukunft“ nämlich - „liegt eine Welt“ (Brief an Adolf Stahr vom 31. Mai). Im Dezember erscheint der Klavierauszug des „Lohengrin“. hergestellt von Theodor Uhlig.

1852
Im August erscheint, mit der Widmung au Franz Liszt., die Partitur des „Lohengrin“ in einem von Kopistenhand autographierten, lithographischen Umdruck.

1853
2. Juli: In Wiesbaden wird zum erstenmal „Lohengrin“ nachgespielt. Ende des Jahres erscheint bei Breitkopf & Härtel in Leipzig die von Wagner angeregte Schrift des Kostümbildners Ferdinand Heine „Decorative und costümliche Scenirung der Oper: Lohengrin von Richard Wagner. In Auftrag des Dichters entworfen“, auf die Wagner mit den Worten reagiert: „In der Hauptsache ist alles nach meinem Wunsche ausgefallen.“

1854
Weitere Inszenierungen des „Lohengrin“ erfolgen in Breslau. Darmstadt. Frankfurt am Main. Schwerin und Leipzig.

1858
28. Februar: Am Münchner Königlichen Hof- und Nationaltheater erscheint „Lohengrin“ zum erstenmal auf der Bühne. Der Dirigent ist Franz Lachner. Drei Jahre später sieht der fünfzehnjährige Kronprinz Ludwig, der spätere König von Bayern, eine der Aufführungen und erhält durch sie die Initialzündung für „das Wesen dieses göttlichen Werkes“, die im Jahre 1864 zur Freundschaft mit Wagner führen wird.

1861
Am 11. Mai erhält Wagner zum erstenmal Gelegenheit, seinen „Lohengrin“ auf der Bühne zu erleben: „Soeben habe ich der Probe zum Lohengrin beigewohnt! Ich kann die unglaublich ergreifende Wirkung dieses ersten Anhörens unter den schönsten und liebevollsten Umständen. künstlerischer wie menschlicher Art. nicht in mir verschlossen halten, ohne sie Ihnen sogleich mitzuteilen. Zwölf Jahre meines Lehens - welche Jahre - durchlebte ich!!“ (Brief aus Wien an Mathilde Wesendonck.) Am 15. Mai besucht Wagner auch eine der Wiener Aufführungen des „Lohengrin“.

1862
12. September: Wagner dirigiert in Frankfurt seinen „Lohengrin“ zum erstenmal in einer Bühnenaufführung,

1867
16. Juni: Die von Ludwig II. von Bayern angeordnete „Musteraufführung“ des „Lohengrin“ hat am Königlichen Hof- und Nationaltheater in München unter der musikalischen Leitung Hans von Bülows Premiere. Wagner wehrt sich dagegen, wegen unaufhebbarer Geschmacksdifferenzen zwischen ihm und dem König bezüglich der Ausstattung, diese Inszenierung zum „Muster“ erhoben zu sehen. Ihn störten die „falsche und läppische“ Kostümierung und der Neuschwanstein-Stil der Inszenierung. Musikalisch freilich ist es auch für Wagner eine „Musteraufführung“. da er zu Lebzeiten den musikalischen Teil seines Werkes nie wieder so seinen „Intentionen vollkommen gemäss“ hören kann.

1871
1. November: Als erste Wagner-Aufführung in Italien überhaupt hat „Lohengrin“ im Teatro Comunale in Bologna Premiere. Der Vorstellung am 19. November wohnt sogar Giuseppe Verdi bei, der sich während der Vorstellung in seinem Klavierauszug kritische Notizen macht. Verdi finde! das Vorspiel zwar schön, die ständigen hohen Lagen der Violinen jedoch „ermüdend“ und den zweiten Akt sehr „langweilig“. Die „Gralserzählung“ freilich macht auf ihn grossen Eindruck. Von dem „Lohengrin-Rummel“ in Bologna insgesamt fühlt er sich dennoch abgestossen.

1883
13. Februar: Richard Wagner stirbt im Palazzo Vendramin-Calergi in Venedig.

1887
30. April: Charles Lamoureux dirigiert im Pariser Théeatre Eden die französische Erstaufführung des „Lohengrin“ unter Polizeischutz. Der Widerstand gegen Wagners Werk ist so gross. dass Lamoureux am 5. Mai bekanntgibt, keine weiteren Vorstellungen mehr stattfinden zu lassen. Ein Publikumserfolg wird „Lohengrin“ in Paris erst 1891 (Premiere im Palais Garnier: 16. September: Dirigent ist wieder Charles Lamoureux).

1894
Da Wagner zu Lebzeiten keine ideale Inszenierung seines „Lohengrin“ hat sehen können, setzt Cosima Wagner, entschlossen „Lohengrin neu zu erfinden“, das Werk auf den Spielplan der Bayreuther Festspiele (Erstaufführung am 20. Juli) und verlegt die Handlung in das 10. Jahrhundert. (Bisher war es üblich, das Stück im 13. Jahrhundert, also zur Zeit der Niederschrift des Epos, spielen zu lassen.) Damit rückt zum erstenmal die historisch fixierbare Grundspannung zwischen Heiden- und Christentum in den Vordergrund.

1936
Nachdem „Lohengrin“ zur meistgespielten Oper Wagners avanciert ist. bietet die Bayreuther Neuinszenierung den Tiefpunkt des politischen Missbrauchs. Adolf Hitler, der sich für den legitimen Erben des „Führers von Brabant“ hält und bereits als Kind sein entscheidendes „Lohengrins-Erlebnis hatte, wohnt der Premiere am 19. Juli bei und soll Winifred Wagner verblüfft angestossen haben, als - zum erstenmal in der Aufführungsgeschichte - der zweite Teil der „Gralserzählung“ erklang (Dirigent: Wilhelm Furtwängler). Auch Thomas Mann hört verwundert bei der Rundfunkübertragung in Küsnacht bei Zürich diese Stelle „als völliges Novum“. Die Bayreuther Neuinszenierung des „Lohengrin“ gilt nicht nur der kulturellen Repräsentation des „Dritten Reiches“, sondern auch dem 1000. Todestag des ersten reichsdeutschen Königs, dem sechzigjährigen Bestehen der Bayreuther Festspiele, den fünfzigsten Todestagen Franz Liszts und König Ludwigs II. und nicht zuletzt den Berliner Olympischen Spielen in diesem Jahr.

1953
Mit der ersten Bayreuther Nachkriegs-lnszenierung setzt ein Prozess der künstlerischen Stilisierung ein. der auch die immanenten Widersprüche und vor allem die zahlreichen psychologischen Schichten des „Lohengrin“ auszuloten versucht. Die Abkehr vom naiven (auch historistischen) Naturalismus erweist sich als notwendig.

Aus: Richard Wagner, Lohengrin. Texte, Materialien. Kommentare. hg. von Anita Csampai und Dietmar Holland, Sachbuch rororo/Ricordi 8466. Rohwolt TB-Verlag. Reinbek 1989

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