Marie Schmole-Heine |

Uraufführung des «Fliegenden Holländers»
Aus den «Erinnerungen» (Sammlung Burrell)

Bald begannen nun die Vorbereitungen für den «Fliegenden Holländer». Manche Bedenken hörte ich wegen der Schwierigkeiten besprechen, welche die beiden Schiffe im ersten und letzten Akte bereiteten. Die maschinistischen Einrichtungen hatten weitaus noch nicht die jetzige Höhe erreicht. Die Meereswellen wurden auf ziemlich primitive Weise dargestellt, und die Schiffe kamen und verschwanden ziemlich anschaulich, - aber man hatte die Ansprüche an dekorative Ausstattung in jener Zeit noch nicht so hoch gestellt wie in unsern Tagen. Trotzdem war das Dresdener Hoftheater in dieser Beziehung ändern deutschen Bühnen recht voraus. - An dem Einstudieren der Chöre hatte der gute «Vater Fischer» seine helle Freude, aber die Solisten machten zu manchen Stellen doch recht bedenkliche Gesichter. Wilhelmine Schröder-Devrient sang die Senta und hatte namentlich vor der Ballade eine förmliche Angst. - Zur Generalprobe hatte man mich auf Frau Minnas Fürbitte mitgenommen. Als die Schröder-Devrient im zweiten Akt ihre Ballade beginnen sollte, hielt sie gleich beim ersten Johojo inne, schüttelte den Kopf, stampfte mit dem FUSS und sprach zu Wagner: «Ich kann und kann mit dem Zeug nichts anfangen.» - Wagner war ziemlich kleinlaut und liess das Orchester nochmals anfangen, und nun ging es ja, allein der richtige Geist kam, wie so häufig, erst am Abend der ersten Aufführung über die geniale Frau. - Ein sehr drolliger Zwischenfall ereignete sich in derselben Probe bei dem Spinnerinnenchor. Derselbe war in den vorhergehenden Orchesterproben zwar bereits gesungen worden, allein in dieser Hauptprobe gingen die Choristinnen erst wirklich «in das Feuer». Das musikalische Lachen, womit ihr neckisches Lied abschloss, klang so natürlich, dass Frau Schröder-Devrient, welche als Senta im Lehnstuhle ruhte und das Bild des Holländers anstarrte, fast erschrocken das Haupt wandte und ihnen zurief: «Na, ihr Gänse, was habt ihr denn zu lachen?» Natürlich war ein echtes und allgemeines Lachen die Folge dieses Ausrufes, den die über die Lösung ihrer Aufgabe grübelnde Wilhelmine getan. In der Aufführung fanden verschiedene Stellen des ersten Aktes bereits lebhaften Beifall, besonders das reizvolle Lied des Steuermannes. Im Verhältnis zu spätem Aufführungen der Oper war die erste Besetzung der Hauptrollen ja keine ganz genügende. Wächter war ein trefflicher Sänger mit schöner Stimme, allein ihm ging das Poetische ab, dessen die unheimliche Gestalt des Holländers bedarf. Erst später, als Anton Mitterwurzer jene Partie übernahm, kam die grosse Arie des ersten Aktes zur vollendeten Ausführung, ebenso das Duett mit Daland, welchen der wackere, aber etwas trockene Risse sang. - Allgemein wurde das Publikum durch den zweiten Akt begeistert. Der Chor der Spinnerinnen fand endlosen Beifall, ebenso die Arie des Jägers und die Szene zwischen Senta, dem Holländer und Daland. - Am Schlüsse dieses Aktes ward Wagner enthusiastisch gerufen... Auch im dritten Akte brach der Beifall zu wiederholten Malen brausend los, besonders gelegentlich des unvergänglich frischen Matrosenchores und der übermütig neckenden Frauenchöre zum düstern Geisterschiff hinüber. Richards Verzweiflung war die Himmelfahrt Sentas und des Holländers, die sich damals wohl ziemlich drastisch dargestellt haben mag.



Richard Wagner Verband Minden 2002