Mindener Tageblatt | 06. Nov 2004

Tannhäuser pilgert nach Minden

Wagner Verband holt große Oper und Star-Regisseur ans Stadttheater

Von Udo Stephan Köhne

Minden (usk). Die Kenner der Szene hatten längst geahnt, dass der Mindener Richard Wagner Verband dem „Fliegenden Hollän­der" von 2002 etwas gleichrangiges folgen lassen wollte. Jetzt machte die Vorsitzende Jutta Hering-Winckler den Spekula­tionen ein Ende.

Keith Warner machte sich gestern ein Bild vom Mindener Stadttheater. Kleine Bühne, große Möglichkeiten lautete seine Erkenntnis.

Foto: Udo Stephan Köhne


„Wir möchten auf den Erfolg der vergangenen Wagner-Oper zurückgreifen und die Begeisterung für ein neues Projekt nutzen", sagte die umtriebige Wagnerianerin gestern. Im Oktober 2005 soll Richard Wagners „Tannhäuser" am Mindener Stadttheater Premiere haben. Die Nordwestdeutsche Philharmonie wird den Orchesterpart übernehmen, eine Serie von et­wa zehn Aufführungen wird (wenn alles wie geplant läuft) Stadt und Region in ein großes Wagner-Fieber versetzen.

Um dies zu garantieren, wurde ein Joker ins Spiel gebracht. Mit der Verpflichtung von Keith Warner, der bereits im Wagner-Mekka Bayreuth inszeniert hat, ist eine kleine Sensation gelungen. Der an den größten Bühnen der Welt gefragte Regiemeister hat seine Zusage gegeben, in der Weserstadt zu arbeiten. Jetzt kam der gebürtige Londoner, der gerade den „Ring" in seiner Heimatstadt für Covent Garden und die „Götterdämmerung" für Tokio vorbereitet, nach Minden. Er besichtigte das Stadttheater, inspizierte die Bühnenverhältnisse und machte sich erste Gedanken zum Stück.

Natürlich habe er einen Schreck bekommen, als er die kleine Mindener Bühne gesehen habe, gibt der sympathisch plaudernde Künstler zu. Und ergänzt lachend, dass der Schrecken bis zur Premiere anhalten werde. Doch schnell fängt er sich, kommt über Stück und Theater ins Sinnieren. Gefragt wie der Mindener „Tannhäuser" szenisch aussehen wird, antwortet er wie Parsifal: „Das weiß ich nicht." Über die Herausforderungen einer kleinen Bühne gerät er ins Schwärmen. Hier seien schließlich Dinge möglich, die an großen Bühnen nicht funktionieren. Die Nähe zum Publikum findet Warner ebenso spannend wie die Möglichkeit, Sänger kammerspielartig miteinander agieren zu lassen.

Warner euphorisch: „Ich liebe das"

„Sehr interessant, ist nicht normal", hört man aus seinem Mund, und es ist nicht pure Höf­lichkeit, wenn er es sagt, son­dern echte Überzeugung. Warner erklärt, dass er kleine Regungen der Darsteller wird zeigen können, psychologische Dinge betonen kann. „Ich liebe das", sagt er in ausdrucksstarkem Deutsch, um dann Jutta Hering-Wincklers Teil an dem Projekt herauszustellen. Ihre Leidenschaft habe ihn letztlich dazu gebracht, Minden ins Visier zu nehmen.

Natürlich soll der „Tannhäuser" auch wieder die Jugend begeistern, ergänzt die Vorsitzende des Wagner Verbandes. Projektbegleitung in Schulen wird es geben, dazu spezielle Schüleraufführungen am Vormittag.

„Eine spannende Geschichte wird erzählt", meint Theaterleiter Bertram Schulte, der bei dieser Gelegenheit auch klar stellt, wie außergewöhnlich die Produktion einer Oper (noch dazu einer vierstündigen Wagner-Oper) für ein Theater ohne eigenes Ensemble ist.

Und so blickt Minden gespannt einem neuen Opern-Großprojekt entgegen. Bis dahin müssen sich die heimischen Wagnerianer trösten. Mit „Lohengrin" in Detmold und „Meis­tersinger" in Bielefeld. Rosige Aussichten.

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