Mindener Tageblatt | 22. Oktober 2005


„Geschenk von hohem Wert"

Viel Lob beim Festakt zur Tannhäuser-Premiere

Von Ursula Koch

Minden (mt). Bayreuths Festspielchef Wolfgang Wagner hatte dieses Mal absagen müssen. Bayreuth-Glanz brachte dafür seine Schwester Verena Lafferentz-Wagner zum gestrigen Festakt vor der „Tannhäuser"-Premiere in Minden.


Beim Festakt voller Vorfreude auf die Premiere: Marianne Thomann-Stahl, Verena Lafferentz-Wagner und Jutta Hering-Winckler (von links). MT-Foto: Manfred Otto

Viel Lob für den Mindener Wagner-Verband, das Stadttheater und das Engagement von Bürgern und Sponsoren sprach Regierungspräsidentin Marianne Thomann-Stahl in ihrer Festrede aus. „Wie bereits beim fliegenden Holländer' wird auch der ,Tannhäuser' eine qualitativ herausragende Werbung für den Standort Minden bedeuten", prophezeit die Politikerin, die hinzufügte, dass sie als Bürgerin der Stadt diese Opern-Produktion als ein „Geschenk von hohem Wert" betrachte. Eine Sichtweise, die auch Bürgermeister Michael Buhre und Andreas Kuntze, Intendant der Nordwestdeutschen Philharmonie unterstrichen. Das Orchester hoffe damit, „ein musikalisches Signal erster Güte zu setzen und seine Unentbehrlichkeit für Minden unter Beweis zu stellen", fügte Kuntze mit Blick auf einen nicht ganz unproblematischen Träger der NWD hinzu.

Durch den international renommierten Regisseur, den exzellenten Dirigenten, die Lichtdesigner und Bühnengestalter sowie Bayreuth-erfahrene Sänger „kommt viel frische Luft in den Alltag und Kulturbetrieb dieser Stadt", meint Thomann-Stahl, selbst Mitglied des Mindener Wagner-Verbandes.

Mit einem Blick auf die bisherigen Eigenproduktionen (Cosi fan tutte, Entführung aus dem Serail, Friedrich und Katte sowie Fliegender Holländer) konstatiert sie: „Die Opernproduktionen im Mindener Stadttheater können beispielgebend für die Kulturszene in NRW wirken." Dass die Tannhäuser-Aufführungen restlos ausverkauft seien, überrasche sie nicht. „Dass aber das kleine Mindener Theater mit seinem regulären Spielplan noch vor

Beginn des freien Verkaufs bis zum Ende der Spielzeit ausverkauft ist und dass zu der ohnehin hohen Zahl von 2500 Abonnenten weitere 500 hinzugekommen sind, das ist Aufsehen erregend - weit über Minden hinaus", betont die Regierungspräsidentin. Den Grund dafür macht sie aus dem Zusammenspiel der klugen und kontinuierlichen Spielplanpolitik mit der ebenso klugen Reihung von Eigenproduktionen und Koproduktionen mit dem Wagner-Verband aus. Viel Lob also auch für Theaterleiter Bertram Schulte, nachdem Thomann-Stahl eingangs bereits den Einsatz von Jutta Hering-Winkler, Vorsitzende des Wagner-Verbandes, herausgestellt hatte: Sie habe sich mit ihrem „Engagement und Risikobereitschaft weit über die Grenzen hinausbegeben, die man von einer Vorsitzenden erwarten kann."


Kenntnisreich führte Hans Melderis
in den „Tannhäuser" ein.
MT-Foto:Koch

Ein solches Lob hatte auch Wagner-Kenner Hans Melderis bereits am Donnerstagabend zu Beginn seines Einführungsvortrags ausgesprochen: „Minden kann sich glücklich schätzen, Jutta Hering-Winckler zu haben." Melderis beleuchtete mit vielen Hörbeispielen zwei Aspekte in der Wagner-Oper: Das Motiv der Venus und die Parallelen zu Goethes „Faust".

Noch bis kurz vor der Drucklegung habe Richard Wagner für sein 1845 in Dresden uraufgeführtes Werk als Titel „Der Venusberg" vorgesehen, doch das sei von den Zeitgenossen als zu provokant empfunden worden. Politisches Unbehagen und die Emanzipation von der verkrusteten Gesellschaft seien Anliegen des Komponisten gewesen, erläutert Melderis, der darin eine Verwandtschaft zu den 1968ern sieht. Das gleiche Thema habe Wagner schon einmal in „Das Liebesverbot", bald umbenannt in „Die Novize von Palermo", behandelt. Auch darin gehe es um freie Sinnlichkeit als Gegenentwurf zu puritanischer Heuchelei.

Und in Wagners Pandämonium im „Bacchanal" weist er auf große Übereinstimmung mit der „Walpurgisnacht" im „Faust" hin. Und wenn Elisabeth in der Sängerhalle frage, „Heinrich, Heinrich, was tatet ihr mir an", liege die Analogie zu Gretchen auf der Hand. So vorbereitet, kann die Premiere kommen.

Die ausführliche Berichterstattung über die „Tannhäuser"-Premiere folgt in der Montag-Ausgabe.

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