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Lohengrin Minden
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Pressestimmen / Aktuelle Presseartikel

Mindener Tageblatt vom 24.03.2009

Einbruch des Wunders in Realität

Vortrag über die Rezeptionsgeschichte des Lohengrin


Oswald Georg Bauer (links), hier mit seinem technischen Assistenten Peter Werth, referierte auf Einladung des Wagner-Verbandes über Lohengrin. Foto: Christian Helming

Von Christian Helming

Minden (hel). „Von opiatischer, narkotischer Wirkung“ sei das Lohengrin-Vorspiel, befand einst Friedrich Nietzsche. Und so begann Oswald Georg Bauer aus München, langjähriger Dramaturg und Leiter des Pressebüros der Bayreuther Festspiele, seinen Vortrag „Lohengrin – nur ein Missverständnis?“ auf Einladung des Mindener Wagner-Verbandes im Hause Winckler mit der Wirkung dieses Vorspiels auf Künstler von Kandinsky über Liszt bis hin zur Verklärung, Verzückung und Ekstase eines Baudelaire.

Auch die Brüder Thomas und Heinrich Mann nahmen sich der Thematik an: Thomas in den „Buddenbrooks“ und Heinrich im „Untertan“. Letzterer karikierte die säbelrasselnde Deutung der wilhelminischen Ära. Und damit war Bauer bereits mitten im Thema: Der Rezeptionsgeschichte des Lohengrin mit all seinen Fehldeutungen und Missverständnissen von seiner Uraufführung bis heute.

Wagner sei es neben der korrekten Darstellung des historischen Stoffes besonders um den Einbruch des Wunders in die Realität gegangen, für den das Erscheinen des Schwanenritters stehe. Gelänge der Inszenierung die Umsetzung dieses Bühnenwunders nicht, sei es nur ein kleiner Schritt vom Erhabenen zum Lächerlichen. Zumal der Titelheld seine Intentionen nicht durch entsprechendes Handeln sichtbar mache. Er, der sich nicht zu erkennen geben dürfe, weil er um seiner selbst willen und nicht seiner hohen Herkunft wegen geliebt werden wolle, letztlich aber kaum Anlass gäbe, geliebt zu werden. Psychologisch gesehen sei Elsa die zentrale Figur in diesem Drama um die Unvereinbarkeit von Macht und Liebe, wie Wagner sie später auch im Ring des Nibelungen thematisierte.

Die hohe Informationsdichte des Vortrags wurde durch Tonbeispiele sowie Bild- und Videoprojektionen (technische Assistenz: Peter Werth) aufgelockert. Die Entwicklung in der Rezeptionsgeschichte vom romantisierten Märchenstoff aus der Zeit Ludwig des II., über das nationale Pathos im Kaiserreich nach 1871, von der Vereinnahmung durch die Nationalsozialisten bis hin zum Neuanfang durch Wolfgang und Wieland Wagner nach dem Krieg wurde schlüssig dokumentiert.

Lohengrin sei ein interessant-problematisches Stück. Es sei Aufgabe der Inszenierung, die Widersprüche aus Märchen, Mythologie, Psychologie und Historie aufzulösen, argumentierte Bauer. Als gelungene Beispiele nannte er den Entwurf Werner Herzogs als Wintermärchen (Bayreuth 1987), der den Wunderaspekt des Werkes betone, Keith Warners Inszenierung im Stil eines düsteren ShakespeareŽschen Königsdramas (Bayreuth 1999) und die Auslegung Katharina Wagners als politische Parabel ohne Nationalismus in Budapest 2004: Wahlkampf statt Gotteskampf, Lohengrin als politischer Wunderknabe.

Das Publikum dankte dem Redner für seine ebenso kenntnis- wie geistreichen Ausführungen mit langem Applaus. Man darf gespannt sein, um welche Sichtweise Regisseur John Dew die Lohengrin-Rezeptionsgeschichte mit der Mindener Inszenierung bereichern wird.

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