Werkgeschichte

Um 1200 wurde der historische Tannhäuser (der tanhüsaere) geboren. Sein Lebenslauf ist nur aus den Angaben in seinen Liedern rekonstruierbar. Er entstammte einem adligen Geschlecht, beteiligte sich 122,8 am fünften Kreuzzug sowie 1231 und 1233 an den zyprischen Feldzügen und wurde Hofdichter Friedrichs des Streitbaren von Österreich. Nach dessen Tod (1246) folgten Wander- und Notjahre. In den sechziger Jahren verliert sich Tannhäusers Spur. Seine Lieder und Leiche preisen die Sinnenfreude und verspotten das Ideal der keuschen Minne. Im Verein mit dem bewegten Lebensschicksal des Sängers wurden sie zum Anlaß der Tannhäuser- Legende.

1515 Erste erhaltene Fassung des Tannhäuser-Liedes, das des Sängers Aufenthalt bei Frau Venus, seine Verdammung durch den Papst in Rom und seine Rückkehr in den Venusberg beschreibt. In der Folgezeit sind mehrere, regional verschiedene Versionen des Tannhäuser-Liedes nachweisbar.

1799 Die Dichter der Romantik entdecken neben anderen Sagen und Legenden des Mittelalters auch das Tannhäuser-Lied neu. Ludwig Tieck bringt in seiner Erzählung Der getreue Eckart und der Tannenhäuser (erschienen in der Phantasus-Sammlung 1812/1817) eine Adaption der Tannhäuser-Legende mit einer detaillierten Schilderung des Venusberges.

1806 Im ersten Band der von Achim von Arnim und Clemens Brentano herausgegebenen Volksliedersammlung Des Knaben Wunder hörn erscheint ein Neudruck des Tannhäuser-Liedes aus dem 16. Jahrhundert.

1816 Die Brüder Grimm bringen im ersten Band ihrer Deutschen Sagen eine Prosafassung des Tannhäuser-Liedes.

1819 E.T.A. Hoffmann beschreibt in seiner Erzählung Der Kampf der Sänger (in den Serapionsbrüdern) den Sängerkrieg auf der Wartburg. Bei ihm steht nicht Tannhäuser, sondern Heinrich von Ofterdingen im Mittelpunkt der Ereignisse. Der Sängerkrieg auf der Wartburg wurde zuerst - unabhängig von der Tannhäuser-Sage - in einer mittelhochdeutschen Gedichtsammlung in der Mitte des 13. Jahrhunderts beschrieben.

1835 In Ludwig Bechsteins Sagenschatz des Thüringerlandes werden erstmals Tannhäuser-Sage und Sängerkrieg in einen Zusammenhang gebracht.

1836 Heinrich Heine veröffentlicht im dritten Band des Salons das Tannhäuser-Lied in einer eigenen, mit zeitkritischen Akzenten versehenen Fassung.

1838 Der Philologe C.T. Lucas stellt in einem Jahresheft der Königsberger deutschen Gesellschaft in der Abhandlung Der Krieg von Wartburg die Behauptung auf, der legendäre Heinrich von Ofterdingen des Sängerkrieges und Tannhäuser seien identisch.
1842 Richard Wagner entwirft Ende Juni/Anfang Juli während einer Ferienwanderung auf dem Schreckenstein bei Aussig in Böhmen das Szenarium zum Venusberg (mit welchem Titel er das Tannhäuser-Projekt zunächst benennt). Anregungen zu seinem Vorhaben erhielt er schon in den Pariser Jahren insbesondere durch Heines Tannhäuser-Gedicht und die Abhandlung von Lucas. Wagner kannte aber auch andere literarische Arbeiten der romantischen Dichter zum Tannhäuser-Thema bzw. zum Sängerkrieg auf der Wartburg. Er selbst nennt die Erzählungen von Tieck und E.T.A. Hoffmann sowie die Abhandlung von Lucas. Ein »Volksbuch« vom »Venusberg«, das Wagner in Mein Leben als Ursprung seiner Beschäftigung mit dem Tannhäuser-Stoff erwähnt, gibt es nicht. Vermutlich meint er die Prosa-Fassung der Tannhäuser-Legende bei Bechstein.

1843 Am 4. Juli Vollendung der Tannhäuser-Dichtung. Bereits Ende Juli beginnt Wagner mit der Komposition.
1845 Mitte April schließt er die Arbeit an der Partitur ab. Den Titel Der Venusberg verändert er, als ihm berichtet wird, daß die Mitglieder der Medizinischen Akademie über den ursprünglichen Titel laszive Witze verbreiten (mons veneris = medizinische Bezeichnung für einen Teil der weiblichen Geschlechtsmerkmale) in Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg.

Am 19. Oktober 1845 findet in der Dresdener Hofoper unter Wagners Leitung die Uraufführung des Tannhäuser statt. Tannhäuser: Joseph Tichatschek, Elisabeth: Johanna Wagner, Venus: Wilhelmine Schröder-Devrient, Wolfram von Eschenbach: Anton Mitterwurzer. Obwohl das Publikum, laut einigen Pressestimmen, die Oper bei der Premiere »mit größtem Beifall« aufnahm, setzte sie sich erst allmählich durch. Die Meinungen der Kritiker reichen von enthusiastischem Lob bis zum mißgünstigen Verriß. Die Polarisierung der musikalischen Öffentlichkeit im Verhältnis zu Wagner wird hier bereits deutlich.

1847 Für die Wiederaufnahme des Werkes in den Spielplan schreibt Wagner eine neue Schlußlösung: Venus tritt noch einmal in Erscheinung, der Sarg mit der toten Elisabeth wird auf die Bühne getragen (sogenannte »Dresdener Fassung« im Unterschied zur »Urfassung« der Premiere).

1849 Als zweite Bühne bringt am 16. Februar unter der musikalischen Leitung von Franz Liszt das Hoftheater in Weimar den Tannhäuser zur Aufführung. Liszt verhalf damit der Oper zum Durchbruch. Bereits 1852 brachten Schwerin, Breslau und Wiesbaden das Werk heraus. Bis Ende der 5oer Jahre führen die meisten deutschen Bühnen den Tannhäuser auf.

Wegen seiner Beteiligung an den revolutionären Ereignissen Anfang Mai
1849 in Dresden wird Wagner steckbrieflich gesucht und muß aus Deutschland fliehen.

1850 läßt er sich in Zürich nieder.

1856 Am 7. Januar Berliner Erstaufführung des Tannhäuser. Tannhäuser: Theodor Formes, Elisabeth: Johanna Wagner. Vorausgegangen waren Auseinandersetzungen zwischen Wagner und der Berliner Hoftheaterintendanz. Wagner bestand zunächst darauf, daß Liszt die musikalische Leitung übertragen werden sollte. Diese Forderung wurde jedoch abgelehnt. Der Berliner Hofkapellmeister Heinrich Dorn dirigierte die Aufführung.

1857 Am 2.8. April ziehen Wagner und seine Frau Minna in das ihnen von dem Ehepaar Otto und Mathilde Wesendonk zur Verfügung gestellte Haus bei Zürich (das »Asyl auf dem grünen Hügel«) in unmittelbarer Nähe der Wesendonkschen Villa ein. Ein Jahr später kommt es wegen Wagners Liebesbeziehung zu Mathilde Wesendonk zum Eklat.

1859 Wagner bricht am 10. September nach Paris auf.

1860 Am 24. September beginnen an der Pariser Oper die Proben zur Aufführung des Tannhäuser. Die Aufführung war auf Veranlassung der Fürstin Pauline Metternich, der Gattin des österreichischen Botschafters, von Kaiser Napoleon III. befohlen worden. Wagner komponiert Teile des Werkes neu, insbesondere die Venusbergszenen (sogenannte »Pariser Fassung«). Die Pariser Presse, die es gewohnt ist, von den Komponisten hofiert zu werden, die Claque des Opernhauses, die Wagner nicht wie üblich engagiert, Teile des Orchesters und nicht zuletzt der Dirigent Louis Dietsch opponieren schon im Vorfeld der Aufführung gegen die neue, für Pariser Verhältnisse ungewöhnliche Oper. Besonders der adlige Jockey-Club, der das in allen Pariser Opernvorstellungen übliche große Ballett im zweiten Akt (man kommt erst nach dem Diner zum zweiten Akt in die Oper) vermißt, lehnt das Werk ab.

1861 Erstaufführung des Tannhäuser am 13. März an der Pariser Oper. Die Herren des Jockey-Clubs stören mit eigens für diesen Zweck verteilten Pfeifen die Vorstellung und verursachen einen Theaterskandal. Da sich die Störungen (die Aufführungen mußten mehrfach unterbrochen werden) bei den weiteren Vorstellungen wiederholen, zieht Wagner nach der dritten Aufführung (25. März) sein Werk zurück. Aber der deutsche Komponist hatte in Paris nicht nur Gegner, sondern insbesondere unter den französischen Intellektuellen zahlreiche Freunde gefunden. Zum glühendsten Anhänger Wagners wurde der Dichter Charles Baudelaire. In einem nach der Pariser Tannhäuser-Premiere geschriebenen, ausführlich auf das Werk eingehenden Artikel heißt es unter anderem: »Die Leute, die glauben, daß nun mit Wagner aufgeräumt sei, haben sich viel zu früh gefreut, das können wir ihnen versichern. Ich möchte ihnen dringend nahelegen, einen Triumph weniger laut zu feiern, der wirklich nicht zu den ehrenvollsten gehört, und für die Zukunft sich sogar mit Resignation zu wappnen. [...] Heute hat die Reaktion begonnen; sie wurde am gleichen Tage geboren, als Böswilligkeit, Dummheit, Versumpftheit und Neid vereint versuchten, das Werk zu begraben. Die Ungeheuerlichkeit des Unrechts hat tausend Sympathien geschaffen, die sich jetzt überall bemerkbar machen.«

1883 Eintragung in Cosima Wagners Tagebuch vom 2.3. Januar, drei Wochen vor Richard Wagners Tod: »Abends Plauderei, welche Richard mit dem Hirtengesang und Pilgerchor aus Tannhäuser beschließt. Er sagt, er sei der Welt noch den Tannhäuser schuldig.«

Quelle: Tannhäuser und der Sängerkrieg auf Wartburg von Richard Wagner
Herausgegeben von der Staatsoper Unter den Linden Berlin, Insel Verlag